Sochin ryu Kobudo: Traditionell und Eindrucksvoll

von | Dez 1, 2023 | Tiger Kwon | 0 Kommentare

Sochin Ryu Kobudo

In den 1970er und auch noch Anfang der 1980er Jahre war in Europa wenig bis sehr wenig über Kobudo bekannt – allerdings gab es einige, die sich für Kobudo interessierten, unter anderem unseren Stilgründer Jim van de Wielle (*1937).

In den 1970er und frühen 1980er Jahren beschäftigte sich Jim van de Wielle intensiv mit Jiu-Jitsu. Insbesondere stand Jim van de Wielle in regem Kontakt mit den südenglischen Jiu-Jitsu-Schulen um Robert Clark (1946-2012), James Blundell und John Steadman und trainierte regelmäßig in Liverpool. Dort wurden Bo/Jo/Hanbo, Sai, Tonfa Kama und Nunchaku geübt, die Bestandteil des Jiu-Jitsu-Prüfungsprogramms ab dem 3. Dan waren. Kobudo war damit ein relativ kleiner Teil dieses Prüfungsprogramms, mit vergleichsweise geringem Umfang pro Waffe und ohne übergreifendes System.

Die Herkunft des von Robert Clark betriebenen Kobudo bzw. Kobujutsu ist nicht völlig klar. Soweit bekannt ist[1], lernte Robert Clark unter anderem bei Jack Britten (ca. 1900-1978), welcher bei Yukio Tani (1881-1950) trainiert haben soll. Der Überlieferung nach kam Yukio Tani als junger Mann aus Japan nach England und ist hauptsächlich für sein Jiu-Jitsu bekannt und war, so die Überlieferung weiter, ein Schüler von Mataemon Tanabe (1869-1942) aus dem Fusen-Ryu, das wiederum von Motsugai Takeda (1795–1867), einem japanischen Mönch, gegründet wurde und waffenlose sowie waffenbasierte Verteidigungstechniken beinhaltet[2].

Ausgehend von dem im Umfeld von Robert Clark Erlerntem entwickelte Jim van de Wielle im Laufe der 1980er Jahre „sein“ Kobudo, unter Zuhilfenahme der in den 1980er Jahren in Europa noch nicht sehr umfangreich zur Verfügung stehenden Informationen aus Okinawa und aus Japan. Die ersten „modernen“, noch immer praktizierten Sochin Ryu Kata datieren um 1989. In den 1990er Jahren dann wurde das bis dahin von Jim van de Wielle Gesammelte und Entwickelte zusammen mit Patrick Hesbeens systematisch zum Sochin ryu Kobudo gefügt. Dabei wurden die ersten Elemente des Sochin Ryu anfangs lose im Rahmen von Kun-Tai-Ko praktiziert. Die eigentliche Gründung als selbständiger Stil mit eigenem Prüfungsprogramm erfolgte schließlich im Jahr 1998.

Modernes Kobudo?

Im Gegensatz zu anderen Kobudo-Stilen, wie zum Beispiel Matayoshi-Ryu, ist Sochin Ryu relativ jung und ist nicht in erster Linie eine strikte historische Überlieferung. Sôchin Ryu ist nicht exakt am oft eh nur verschwommen und ungenau bekannten historischen Vorbild orientiert, sondern ist in weiten Teilen eine Wieder- und Neuentwicklung von Jim van de Wielle und unterstützt von Patrick Hesbeens, basierend auf dem teils nur spärlich verfügbaren Wissen über die originalen Techniken.

Damit geht einher, dass Sochin Ryu Kobudo, insbesondere im Vergleich zu anderen Kobudo-Stilen mit ausgeprägteren historischen Wurzeln, stärker auf die Kerntechniken der einzelnen Waffen konzentriert ist. Zudem bietet Sôchin-Ryu einen Einblick in die vielfältige Welt der Kobudo-Waffen, sodass auch Waffen gelehrt werden, die in anderen Kobudo-Stilrichtungen zum Teil gar nicht behandelt werden.

Sochin Ryu ist kein statisches, streng historisches Konzept, sondern ist einer Weiter- und Fortentwicklung gegenüber offen. Durch seine Anfänge auch im Jiu-Jitsu liegt ein Schwerpunkt des Sochin Ryu auch im Bereich der Selbstverteidigung; dies gilt zumindest für die heutzutage noch als alltagstauglich anzusehenden Waffen, wie Jo, Tanbo oder Yawara, oder deren modernen Entsprechungen wie Spazierstock, zusammengerollte Zeitung oder Regenschirm. Im Sochin Ryu wird der Geist des alten Kobudo, sich im Alltag mit improvisierten Waffen zu verteidigen, in die Jetzt-Zeit getragen.

Wortbedeutung von Sochin Ryu Kobudo

Kobudo bedeutet übersetzt in etwa „alter kriegerischer Weg“ oder „alter Weg des Kriegs“. Sochin Ryu bedeutet ungefähr „Stil der Stärke und Ruhe“ oder „Stil der ruhigen Kraft“;  Sochin kann aber auch als „Wahre den Frieden“ gelesen werden. Der Name Sochin impliziert ruhige und dabei kraftvolle und dynamischen Techniken. Sôchin ist auch der Name einer Karate-Kata, die ihren Ursprung in Okinawa hat.

Sochin-Ryu-Zeichen

Das Zeichen für Sochin Ryu Kobudo ist gebildet aus einem roten Kreis, unterteilt in 16 Sektoren, auf weißem Grund. Die drei von oben nach unten verlaufenden Schriftzüge innerhalb des Kreises lauten links „Jim van de Wielle“, in der Mitte „Sochin Ryu“ und rechts „Kobudo“.

Der rote Kreis vor weißem Hintergrund erinnert an die Nationalflagge Japans, an die Hi no Maru‚ deutsch etwa „Sonnenrund“ oder „Sonnenkreis“. Die Ausführung mit den 16 Sektoren erinnert an eine Variante der vom 16. Jahrhundert bis zum Ende des zweiten Weltkriegs genutzten Flagge Japans, der Kyokujitsuki, deutsch etwa „Flagge der aufgehenden Sonne“, wobei die 16 Sektoren für Sonnenstrahlen stehen. Die im Sochin Ryu Zeichen verwendete Variante als sogenannter Siemensstern wurde dabei eher selten und früh verwendet. Durch die Siemensstern-Variante wird die insbesondere im zweiten Weltkrieg verwendete, historisch nicht ganz unproblematische Variante mit einem zentralen massiven roten Kreis, von  dem die 16 Strahlen ausgehen, vermieden.

Außerdem wurde die Siemensstern-Variante in den 1970er und 1980er Jahren auf Urkunden für höhere Dan-Grade der World Ju-Jitsu Federation verwendet, dort in leicht asymmetrischer Form. Die World Ju-Jitsu Federation wurde 1976 von Robert Clark gegründet. Insofern erinnert das Sochin Ryu Zeichen auch an seine ersten Anfänge im Umfeld des Jiu-Jitsu von Robert Clark.

Zudem greift der rote Kreis vor weißem Hintergrund das ähnliche Design der Logos der World Kun-Tai-Ko Budo Association und zumindest einiger deren Teilverbände auf, dass die Verbindung zum Kun-Tai-Ko symbolisiert wird.

 

[1] siehe, Stand Juli 2022, zum Beispiel
https://drive.google.com/file/d/1RsDVsvw0T7TAHI7a6bh-r1TSCJ4K_Rx4/view

[2] siehe auch, Stand Juli 2022, die englischsprachigen Wikipedia-Artikel „Yukio Tani“, „Fusen-ryū“ und „Mataemon Tanabe

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